Eindrücke, Gedanken & Prognosen
- 15 Tage auf der Insel 5 Monate nach Hurrikane
- 18. Feb. 2018
- 3 Min. Lesezeit

Bereits 15 Tage befinde ich mich nun auf Dominica und die Zeit rennt. Die erste Woche hat kaum Zeit für Eingewöhnung gelassen, da Besuche von Freunden und Bekannten im Vordergrund standen. Die Ausmaße von Hurrikane Maria sind nicht nur an der Vegetation und Zerstörung der Gebäude erkennbar, sie haben auch Spuren in der Psyche der Dominicans hinterlassen.
Gegenseitiges Zeit verbringen und der Austausch von Erlebnissen über die Nacht des Hurrikans zeichnen sich, meines Empfinden nach, als wertvollstes Gut für die Anwohner aus. Es herrscht großer Redebedarf, denn Jeder hat eine Geschichte vom 18. September parat. Neben der Verarbeitung der Erlebnisse bleibt natürlich auch der Wiederaufbau Fokus der nächsten Monate in Dominica.
Viele Häuser und öffentliche Gebäude haben kein witterungsbeständiges Dach und werden lediglich mit Planen bedeckt. Der langsame Prozess hängt an zwei Hauptfaktoren: Zum einen fehlt es an Material und qualifizierten Arbeitern und zum anderen hängen die Versicherungen, aufgrund des großen Andrangs, mit den Zahlungen hinterher.
Der zeitintensivste Prozess ist gegenwärtig die Wiederherstellung des Stromnetzes. Die Hauptstadt und einige nahegelegene Dörfer konnten bereits erfolgreich an das Stromnetzt angeschlossen werden, der Großteil der Orte in Dominica sind jedoch nach wie vor auf Generatoren angewiesen oder müssen Ihr Leben entsprechend „Strom-Los“ gestallten. Wie ich in der ersten Woche leider selbst erleben musste, sind viele Lebensmittel mit Vorsicht zu genießen. So können bereits verarbeitete Lebensmittel aus dem Supermarkt, aufgrund der unstetigen Strom und somit Kühlsituation Lebensmittelvergiftungen hervorrufen.
Obwohl nach wie vor Herausforderungen das Alltagsleben in Dominica prägen, wurden die Karnevalsfestivitäten dieses Jahr durchgeführt. Zum Einen um die Stimmung der Bevölkerung hoch zu halten und zum anderen darf nicht vergessen werden, das Karneval eines der wichtigsten wirtschaftlichen Einnahmen der Insel darstellt, die durch den Hurrikane ohnehin stark limitiert wurden.
Die Karnevalsfestivitäten wurden allerdings gegensätzlich zu den Jahren zuvor stark begrenzt. Trifft man normalerweise am J`ouvert Morning (Montag 12.02.2018) um 4Uhr morgens auf menschengefüllte Straßen mit Trommelbands und bunt geschminkten Anwohner, hat sich dieses Jahr eher Leere in der Stadt breit gemacht. Erst gegen frühen Mittag haben sich die Straßen gefüllt und eine ausgelassene Stimmung verbreitet. Um 6 Uhr abends wurden die Festivitäten beendet, da zu viele Schlägereien und Unruhen mit dem Sonnenuntergang erwartet wurden. Obwohl am Montag davon noch nicht viel zu spüren war, wurde der Verdacht am folgenden Tag bestätigt. Auch der Dienstag gehört noch zu den Karnevalsfestivitäten und zählt als „Last Lap“. Bereits gegen 4Uhr Mittags mussten die Musik-Trucks immer wieder stoppen um Kämpfe in der Masse zu stoppen. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt und um ehrlich zu sein, hat es die breite Masse an Karnevalsteilnehmern, inklusive uns, den gefühlt einzigen „Weißen“, nicht vom Feiern abgehalten.
Nächste Woche werde ich endlich die Zeit finden, mich mit der Rektorin der Pioneer Prep. School zu treffen und alle Ankunftsorganisation der Spendenmaterialien zu regeln. Bezüglich der Materialien wird es nächste Woche ein offizielles Update geben, da dann nähere Informationen zu der Container Verschiffung vorliegen. Momentan wartet die Containerfirma Caribtrans noch auf die Lieferung von IKEA Miami, die laut Plan am 19.02.2018 eintreffen soll.
Zusätzlich zum Treffen mit der Rektorin, habe ich am kommenden Dienstag einen Termin mit dem Premierminister Roosevelt Skerrit bekommen. Das Treffen soll dazu dienen, den Dialog zu stärken, die gegenwärtige Spendenkampagne zu thematisieren und zudem möchte ich mich über andere lokale Spendenkampagnen informieren, um die restlichen Spenden meiner Kampagne sinnvoll einzusetzen.
Abschließend zu diesen ersten Eindrücken und Erkenntnissen, möchte ich, vergleichend zu meinen Aufenthalten der letzten sechs Jahre, einige Gedanken teilen. Abgesehen von allen Zerstörungen und Veränderungen, an die sich die Insel und ihre Bewohner anpassen müssen, gefällt mir der Spirit der Bewohner. Wieder einmal überraschen mich die Dominicans mit Ihrer Lebenslust, Stärke und Durchhaltevermögen. Gerne würde ich diese Einstellungen in Deutschland öfter erleben und mir zu Hause weniger Beschwerden über „Erste-Welt-Probleme“ wünschen.
Ein Punkt, der mir allerdings große Sorge bereitet, sind die Veränderungen des Wetters. Seit Hurrikane Maria sind für die Jahreszeit untypische, extrem starke Regengüsse und Winde zu verzeichnen. Es ist nicht zu leugnen, dass das Wetter sich verändert. Regen- und Trockenzeiten sind kaum noch erkennbar und zeitlich nicht mehr einzugrenzen. Während meines Aufenthaltes hatten wir lediglich 2 Tagen, an denen es nicht stündlich geregnet hat und der Februar zählt normalerweise als Trockenzeit. Meine Befürchtung ist hoch, dass Naturkatastrophen wie Hurrikane Maria oder Hurrikane Erika (2015) vermehrt und immer stärker auftreten werden. Dominica verzeichnet eine Einwohnerzahl von 72.000 Einwohnern. Nach Hurrikane Maria sind 20.000 geflüchtet. Es bleibt fraglich, wie selbst eine starke und lebensfrohe Nation, stetige Rückschläge psychisch und auch wirtschaftlich verkraften kann und ob die Karibik in Zukunft bewohnbar bleibt.
Kommentare